„Gepokert“ & gewonnen: Fünf Geschichten zum Duell mit Lübeck
03. Dezember, 2020 15.00 Uhr
Ein klein wenig Historie
Der VfB Lübeck feierte im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag und zählt aktuell exakt 1.111 Mitglieder – na, wenn das kein Grund zum Feiern ist. Größte Erfolge der Grün-Weißen waren 1969 die Teilnahme an der damals noch ausgespielten Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga und der sensationelle Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals 2003/04, wo die Mannen von der Lübecker Bucht erst in der Verlängerung an Werder Bremen scheiterten. Der damalige VfB-Trainer hieß übrigens Dieter Hecking. Aber: Wo Licht ist, ist meist auch Schatten: Nach dem Abstieg 2004 in die Drittklassigkeit konnte sich der VfB trotz großer Anstrengungen 2008 nicht für die neue eingleisige 3. Liga qualifizieren. Ab diesem Zeitpunkt spielte man in der viertklassigen Regionalliga Nord. Im April 2008 musste der Verein erstmals Insolvenz anmelden, konnte das Schlimmste jedoch durch eine Bürgschaft der Stadt Lübeck abwenden. Im November 2012 folgte dann der zweite Insolvenzantrag mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass sich die Grün-Weißen als Zwangsabsteiger in der fünftklassigen Schleswig-Holstein-Liga wiederfanden. Seitdem allerdings wirtschaften die Hansestädter sehr seriös, in dessen Folge, gekrönt mit dem diesjährigen Aufstieg in Liga 3, sich auch der sportliche Erfolg wieder einstellte.
„All in“ an der Lübecker Bucht & Ende mit der Zockerei
Sportreporter Manfred Breuckmann tat einst den Satz: „Wenn die Eckfahne Nutella-Fahne heißt, höre ich auf.“ Irgendwie fühlt man sich bei dieser Aussage an ein Ereignis aus der jüngeren Lübecker Vergangenheit erinnert. Die finanziellen Schieflagen der Grün-Weißen brachten nämlich so einige Anekdoten mit sich. Hier eine davon: Obwohl die „Zockerei“ mit der Insolvenz 2012 bei den Grün-Weißen ein Ende nahm, wurde das geschichtsträchtige Stadion an der Lohmühle für zwei Jahre in „PokerStars.de-Stadion“ umbenannt. „All In“ also an der Lübecker Bucht! Der e-Gaming-Gigant unterstützte den angeschlagenen Verein mit einer Stadionpatenschaft. „Full House“ einmal anders. Nie zuvor hatte die altehrwürdige Arena einen anderen Namen als „Lohmühle“ getragen! Der Vertrag, der bis 2013 befristet war, trug allerdings nachhaltig dazu bei, die Rahmenbedingungen für den Lübecker Fußball zu sichern und die Nachwuchsförderung zu erhalten. Clever gepokert VfB Lübeck kann man da nur festhalten.
Formkurve passt trotz Niederlage in Meppen, insbesondere zuhause ist die Oral-Elf ligaweit top und holte in sechs Spielen 15 Zähler (Foto: Bösl / KBUMM).
Keine Fans in der Fankurve
2016 beschloss die aktive Lübecker Fanszene, in die sogenannte Pappelkurve des Stadions an der Lohmühle umzuziehen. Der Verein wollte dies dadurch unterstützen, das bröckelnde neue Zuhause der Anhänger zuschauerfreundlicher zu gestalten. Die Stufen sollten erneuert, die Tribüne höher und steiler werden. Die Bauverwaltung blockierte das Ansinnen mit mehreren Auflagen. Eine davon: Der Block dürfe aufgrund der „besonderen Gefahrensituation“ nicht als Fanbereich genutzt werden. Selbst die Kommunalpolitik war empört und gar eine Satiremagazin griff die Posse für sich auf. Nach Widerspruch gegen die Auflagen der Baugenehmigung und langem Hin und Her hatte die Stadtverwaltung dann doch ein Einsehen und die Fans haben seitdem in der Pappelkurve ihren angestammten Platz gefunden.
Langer Atem
Ein Blick auf die Gegentorverteilung der Teams der 3. Liga sollte dem FC Ingolstadt 04 durchaus Hoffnung für die kommende Begegnung machen. Während die Lübecker zwölf ihrer bisher 17 Gegentore (bei einem Spiel weniger) in der zweiten Halbzeit kassierten, alleine elf in der letzten halben Stunde, läuft die Tormaschinerie der Schanzer in diesem Spielabschnitt erst richtig heiß. Zehn der erzielten 18 Treffer erzielten Stefan Kutschke & Co. nach dem Seitenwechsel, acht davon in den 30 Minuten vor Schlusspfiff. Der lange Atem unseres Teams kann also auch am Samstag den Ausschlag geben. Oder um es wie mit dem 1954er Weltmeistercoach Sepp Herberger zu sagen: „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“
Enorm in Form
Lassen wir uns vor der Meppen-Niederlage nicht blenden. Der FC Ingolstadt 04 ist recht erfolgreich unterwegs. Allerdings auch der kommende Gegner von der Ostsee. Zieht man die letzten sieben Spieltage zur Rate, so stellt man fest, dass die Truppe von Tomas Oral in dieser Momentaufnahme Tabellenrang zwei einnimmt. Nur einen Platz dahinter und bei einem Spiel weniger rangiert der VfB Lübeck. Ein Spitzenspiel also, dass sowohl der Süden als auch der Norden der Republik mit großer Spannung verfolgen wird. Wenn es den Schanzern gelingt, am Samstag wieder ihre Stärken in die berühmte Waagschale zu werfen und „in der Box“ wieder das Schussglück im Stadion weilt, sollte einem Erfolg einen Tag vor Nikolaus nichts im Wege stehen.