Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 7 mit Alfredo Morales
16. Juni, 2016 09.00 Uhr
Alfredo Morales: Eigentlich ist es ganz einfach. Meine Mama ist aus Deutschland, mein Papa aus Peru. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Mein Vater ist mit 19 oder 20 in die U.S. Army eingetreten und hat dadurch die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten, als sein Sohn habe ich diese dann auch erhalten.
fci.de: Stichwort Nationalmannschaft: Bei allem stolz für die USA aufzulaufen, gibt es sicherlich auch Herausforderungen oder?
Morales: Es ist eine große Ehre für die USA zu spielen – nicht nur fußballerisch betrachtet. Es ist ein fantastisches Land und ich bin stolz darauf, dass ich das Trikot überstreifen kann. Mit dem Englischen war es zu Beginn schon schwer. Aber das wird zunehmend besser. Beim FCI kann ich mit Mathew Leckie ja jeden Tag englisch sprechen. Nur wenn ich mit dem Team-Arzt dort über komplexere Themen sprechen soll, wird es schwer (lacht). Den Jetlag überwinde ich mit guter Ernährung, viel Schlaf und dadurch, dass ich viel Wasser trinke, relativ schnell. Das ist also auch bei den langen Reisen kein Problem für mich.
fci.de: Dein Papa kommt aus Peru. Welches Verhältnis hast du zu diesem Land?
Morales: Ich war bisher leider erst zwei Mal in Peru. Das Land hat eine wahnsinnig lang zurückreichende Geschichte, die sehr beeindruckend ist. Das würde ich sehr gerne eines Tages genauer kennenlernen. Bisher fehlte mir allerdings die Zeit dafür, denn ein Kurz-Trip nach Südamerika lohnt sich zeitlich nicht. Aber aus diesem Land kommen meine Vorfahren und ich hoffe, dass ich in der Zeit nach meiner Karriere dorthin reisen kann.
fci.de: Deine fußballerische Ausbildung hast du bei der Hertha genossen. Spieler wie die Boateng-Brüder kommen ebenfalls aus dieser Talentschmiede. Das ist sicher kein Zufall oder?
Morales: Hertha BSC hat schon immer gute Talente herausgebracht. Ein Vorteil in Berlin ist das große Einzugsgebiet. Dort werden die guten Spieler auch in den umliegenden Bundesländern natürlich schon sehr früh gesichtet und an den Verein gebunden. Ich habe dort 13 Jahre gespielt und vieles gelernt. Auch Werte außerhalb des Fußballplatzes wie Teamgeist, Disziplin, Einstellung und Ehrgeiz wurden von Anfang an groß geschrieben. Das ist im Jugendbereich der Schanzer nicht anders und aus meiner SIcht auf jeden Fall der richtige Weg.
fci.de: Du bist von der Hauptstadt Deutschlands ins beschauliche Ingolstadt gezogen. Das war zu Beginn sicher ein Kulturschock oder?
Morales: Das kann man so sagen. In Berlin herrscht die Hektik einer Weltstadt. Ich musste mich schon daran gewöhnen, dass in Ingolstadt alles eine Nummer kleiner ist. Aber ich denke, wir haben das als Familie sehr gut gemacht. Wir haben uns auch von Anfang an wohlgefühlt. Für mich war das auch relativ einfach, da ich durch die Jungs in der Mannschaft schnell integriert werde. Für meine Frau Nadja war das natürlich am Anfang durch unsere Kinder schon eine größere Herausforderung, Anschluss zu finden. Mittlerweile haben wir aber gemeinsam einen größeren Freundeskreis aufgebaut.
fci.de: Du hast deine Freundin vor knapp vier Jahren geheiratet und ihr seid sehr junge Eltern von zwei süßen Jungs. Welche Herausforderungen muss man da gemeinsam stemmen?
Bei Kakao und Plätzchen kommt die junge Familie am Nachmittag zusammen.
Morales: Aus meiner Sicht kommt es darauf an, wie man miteinander umgeht. Da ist auch jedes Paar anders. Bei uns hat es von Anfang an sehr gut geklappt, da wir auch ein sehr gutes Team sind. Es ist sehr wichtig, dass man zusammenhält und die gleiche Sichtweise auf das Leben hat und sich gemeinsam weiterentwickelt. Eine Hochzeit, das erste Kind – da sind natürlich immer Lebenssituationen, die neu und aufregend, aber auch stressig und schwer sind. Deshalb kommt es nicht darauf an, wie man sich in der Öffentlichkeit zeigt, sondern wie man zu zweit den Alltag meistert.
fci.de: Wie haben deine Eltern reagiert, als sie gehört haben, dass sie Großeltern werden?
Morales: Unsere Eltern haben sich gefreut. Nur mein Papa war auch ein wenig skeptisch, aber er ist generell ein skeptischer Mensch (lacht). Sicherlich haben sie sich auch Sorgen gemacht, ob wir das so schaffen, da wir noch sehr jung waren. Für mich gibt es aber kein perfektes Alter, um Kinder zu bekommen. Wir waren sicher, dass das klappt. Außerdem hatten wir von Anfang an Unterstützung. Das war sicherlich auch sehr wichtig.
fci.de: Wie sieht euer Alltag in Ingolstadt aus?
Morales: Unser Alltag ist auf den FC Ingolstadt und meine Trainings- und Spielzeiten ausgerichtet. Da müssen wir schon spontan und flexibel sein. Aber ich bringe unseren dreieinhalbjährigen Sohn Emilio fast jeden Tag in den Kindergarten, ausser wenn wir auf Reisen sind. Dann übernimmt das Nadja, die sich zusätzlich um Eliano, der vor einem halben Jahr auf die Welt gekommen ist, kümmert. Nach dem Training unternehmen wir viel gemeinsam als Familie. Auch wenn sich unser Leben eigentlich nur um den Fußball dreht, macht es großen Spaß, mit den Kindern Ausflüge wie zum Beispiel in den Zoo zu unternehmen.
fci.de: Habt ihr euch als Familie schon in die bayerische Kultur integriert?
Morales: Bei Volksfesten sind wir am Start (lacht)! Nadja mochte Volksmusik schon immer und mittlerweile finde ich das auch gut, gerade weil die Stimmung in den Zelten großartig ist. Auch an die Tracht musste ich mich zuerst gewöhnen. Mittlerweile haben wir alle in der Familie Lederhosen bzw. Dirndl. Typisches bayerisches Essen wie Leberkäse mögen wir auch. Dazu ist Eliano in Ingolstadt geboren, er ist also ein echter Schanzer (grinst).
fci.de: Was vermisst du in Ingolstadt am meisten?
Morales: Natürlich fehlt mir vor allem meine Familie. An Berlin vermisse ich, dass es dort so viele Möglichkeiten gibt. Restaurants, Freizeitmöglichkeiten, Park – die Auswahl ist riesig. Ich hab fast mein ganzes Leben in Berlin verbracht und habe trotzdem noch nicht alles gesehen. Dieser Großstadt-Flair hat schon das gewisse Etwas.
fci.de: Gibt es Situationen, in denen deine Eltern oder Freunde merken, dass du schon eine gewisse Zeit in Bayern lebst?
Morales: Wenn ich mit meinen Berliner Freunden oder meinen Eltern spreche, dann passiert das eher selten. Da schaltet man automatisch um, aber manchmal rutscht mir schon ein „Servus“ raus. Gerade zwischen Nadja und mir kommt das schon vor, dass wir bayerische Ausdrücke verwenden. Emilio bringt natürlich auch vieler solcher Ausdrücke aus der KITA mit nach Hause. Ich mag den Dialekt, auch wenn ich ihn selbst nie sprechen werden kann (lacht).
fci.de: Ist deine junge Familie auch öfter im Stadion, um dich zu unterstützen?
Morales: Natürlich. Gerade Emilio ist schon ziemlich fußballverrückt und geht total gerne ins Stadion. In dem Bereich, wo die Familien von uns Spielern sitzen, ist er schon eine Attraktion. Er feuert uns immer lautstark an und hat sich da schon viele Fan-Gesänge angeeignet. Schanzi und Emilio lieben sich auch. Nach jedem Spiel gibt es da eine innige Umarmung. Er spielt auch sehr gerne selbst Fußball und ist für sein Alter schon richtig gut. Anders als ich ist er aber Linksfuß (lacht).
Der heimische Garten wird bei der Familie Morales kurzerhand zum Fußballplatz umfunktioniert.
fci.de: Für jeden Fußballer ist es ein Traum, in der Bundesliga zu spielen. Diesen Traum habt ihr euch erfüllt. Musst du dich noch manchmal kneifen?
Morales: Für mich ist die Bundesliga die beste Liga der Welt. Wir haben hier großartige Stadien, super Fans und sehr gute Mannschaften. Nach der letzten Saison ist es für uns immer noch ein Wahnsinn, dass wir in diese Stadien fahren dürfen, um uns zum Beispiel gegen weltklasse-Teams die in der Champions League teilnehmen, zu beweisen. Ich habe mein ganzes Leben darauf hingearbeitet. Auch wenn ich mein Abitur gemacht habe, war alles in meinem Leben auf diese Chance ausgerichtet. Jetzt gegen Teams wie Dortmund, Wolfsburg oder Gladbach zu spielen ist großartig. Wir wollen weiter alles investieren um zu zeigen, dass wir mithalten können. Bisher haben wir das sehr gut gemacht.
fci.de: Wenn du dir eine Fähigkeit eines Teamkollegen aussuchen könntest, welche wäre das?
Morales: Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meinen Fähigkeiten. Ich würde gerne die Schnelligkeit von Mathew Leckie oder Stefan Lex haben. Ich bin selbst ja nicht langsam aber diese Geschwindigkeit ist eine Waffe. Das würde sehr gut zu mir passen (lacht).
fci.de: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, Alfi.