Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 12 mit Maurice Multhaup

Maurice Multhaup meistert als Schanzer Youngster seinen Alltag

Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 12 mit Maurice Multhaup

25. Juni, 2016 12.00 Uhr

Maurice Multhaup ist endgültig beim FC Ingolstadt angekommen. Der hochveranlagte Youngster wurde vergangenen Sommer noch von einer Verletzung gebremst – doch jetzt will der 19-Jährige bei den Schanzern voll durchstarten. Auch abseits des Platzes sammelt der gebürtige Bottroper in seiner neuen Heimat viele wertvolle Erfahrungen. Das Schanzer Bladdl begleitete Maurice in seinem Alltag und sprach mit ihm unter anderem über seinen Umzug in die Donaustadt, seine erste eigene Wohnung und die Bewältigung von Alltagsproblemen.
fci.de: Du bist in der renommierten Knappenschmiede auf Schalke ausgebildet worden. Kannst du uns einen typischen Tagesablauf dort beschreiben?

Maurice Multhaup: Ich habe nur zehn Minuten entfernt von der Knappenschmiede auf Schalke gewohnt. Somit musste ich nicht auf das Internat gehen. Von 8 Uhr bis 13 Uhr, 14 Uhr oder auch 15 Uhr war ich in der Schule. Bei Schalke 04 gibt es einen Fahrdienst, der die Jugendspieler abholt und zum Training fährt. Das fängt ab der U 13 an und hört bei der U 19 auf. Wenn ich also um 15.30 Uhr nach Hause gekommen bin, wurde ich schon um 16 Uhr abgeholt, um ab 17.30 Uhr zu trainieren. Um circa 20 Uhr war ich dann wieder zu Hause. Da bleibt natürlich nicht mehr ganz so viel Zeit, wenn du vier Mal in der Woche Training hast. Teilweise war das wirklich sehr stressig.

fci.de: Das heißt, du musstest früh auf alltägliche Dinge verzichten, die für viele Jungs in deinem Alter normal sind. Wie schwer ist dir das gefallen?

Multhaup: Mit 15, 16 Jahren war es schon sehr schwer. In dem Alter beginnt man ja so seine ersten Erfahrungen in der Freizeit zu sammeln. Je älter ich geworden bin, desto leichter ist es mir gefallen, da der Weg zum Profi immer konkreter geworden ist. Ich habe auch einen wirklich guten Freundeskreis, der Rücksicht darauf genommen hat. Trotzdem habe ich im Rahmen des Möglichen sehr viel mit meinen Freunden unternommen. Meistens bin ich nach dem Training zu einem meiner Kumpels gegangen, um dort abzuhängen. Natürlich kann man dann nicht gerade oft ausgehen oder wenn, dann macht man den Fahrer (lacht).

fci.de: Als das Angebot aus Ingolstadt kam, mit wem hast du die Entscheidung, nach Ingolstadt zu wechseln, damals besprochen und was hat den Ausschlag für die Schanzer gegeben?

Multhaup: Das war bei mir in der Tat recht kurzfristig. Dementsprechend hatte ich nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken. Der Wechsel kam ja kurz vor dem Ende der Transferperiode zu Stande. Ich habe mit meinen Eltern und meinem Berater an ein bis zwei Abenden darüber gesprochen und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass der FC Ingolstadt für mich eine große Chance ist. Die Argumente für den FCI waren natürlich die Bundesliga, dass der Trainer auf junge Spieler setzt, man realistische Einsatzzeiten bekommt und dass die Schanzer und ich einen ähnlichen Spielstil mit dem aggressiven Pressing verfolgen. Hier kann und möchte ich mich weiterentwickeln und natürlich weiter Spielanteile sammeln.

fci.de: Was sind die größten Herausforderungen, wenn man als junger Mensch zu Hause auszieht und in eine neue Stadt kommt?

Multhaup: Ich habe zunächst einen Monat im Hotel gewohnt. Dort gab es zwar Frühstück, aber alle anderen Mahlzeiten musste ich mir selbst organisieren. Das war zu Beginn ungewohnt und nicht so einfach. Als ich in meine Wohnung gezogen bin, stand ich vor der Aufgabe, mir Möbel zu kaufen, in die Wohnung zu transportieren und aufzubauen. Also normale Dinge eben, die jeder kennt, wenn er zu Hause auszieht. Man lernt schnell die Dinge zu schätzen, die man zu Hause bei den Eltern als selbstverständlich angesehen hat. Wenn man zum Beispiel seinen Gästen etwas zu trinken anbieten möchte und merkt, dass man keine Gläser hat (lacht). Den Haushalt zu organisieren war zu Beginn auch ungewohnt für mich.

fci.de: Ist das hier in Ingolstadt deine erste eigene Wohnung? Wer hat dir beim Umzug und Einrichten geholfen?

Multhaup: Das stimmt, das ist meine erste eigene Wohnung. Ich habe davor noch bei meinen Eltern gewohnt, was in meiner Situation perfekt war. Beim Umzug hat die ganze Familie mitgeholfen – meine Eltern, meine Schwester, mein Bruder und meine Freundin. Sie waren alle tatkräftig bei der Sache. Größere Möbel habe ich mir in Ingolstadt aber neu gekauft. Das war mir auch wichtig – zum ersten Mal meine eigenen Sachen zu kaufen.

fci.de: Was waren deine ersten Eindrücke von der Donaustadt und dem FC Ingolstadt 04?

Multhaup: Als ich nach Ingolstadt gekommen bin, habe ich mich tatsächlich einfach ins Auto gesetzt und bin durch die Gegend gefahren, um die Stadt zu entdecken. Die Stadt ist schön übersichtlich und durch die Ringstraßen wird man gut um die Stadt geführt. Ungewohnt für mich war die Stille – das ist im Ruhrgebiet wirklich anders. Das weiß ich inzwischen zu schätzen, hier kann man wirklich die Ruhe genießen. In meiner Heimat wäre ständig etwas los und ich hätte pausenlos Besuch von Freunden. Hin- und wieder kommt mich meine Schwester oder meine Freundin für eine Woche in Bayern besuchen. Auch meine Familie ist zu den Heimspielen da. Aber sonst bin ich allein. Das kannte ich bisher nicht – aber ich komme gut damit klar.
Mein erster Eindruck vom FC Ingolstadt 04 war, dass die Infrastruktur hier sehr modern ist. Die Räumlichkeiten riechen sogar noch sehr neu (lacht). Da kam direkt Begeisterung in mir auf, denn man merkt schnell, dass hier etwas entsteht. Unsere Möglichkeiten im Profibereich sind mit den Kabinen, dem Regenerations-Bereich und der Physiotherapie sehr komfortabel. Ich bin von den Mitarbeitern auch überragend aufgenommen worden.

fci.de: Du kommst aus dem Ruhrgebiet. Wie kommst du mit dem bayerischen Dialekt in Ingolstadt zurecht?

Multhaup: Gar nicht (grinst). Wenn unsere Physiotherapeuten miteinander sprechen, komme ich oft nicht mehr mit. Das ist wie eine Fremdsprache (lacht). Es gibt da schon interessante Ausdrücke und ich versuche auch das eine oder andere Wort zu lernen. Aber das ist unfassbar schwer für mich. Ich bleibe da lieber bei meinem Ruhrpott-Dialekt. Den finde ich am besten. Aber es ist schon ein großer Spaß für alle Beteiligten, wenn mir Bayerisch beigebracht werden soll.

fci.de:
Welche Plätze gefallen dir besonders gut in Ingolstadt?

Multhaup: Ich gehe sehr gerne in den Westpark und dort ins Vapiano – hier trifft man immer wieder Leute, um mit ihnen zu Essen. Der Westpark ist ähnlich aufgebaut wie Einkaufszentren in Oberhausen oder Essen, die ich kenne. In der Innenstadt mag ich das Café Moritz. Hier bin ich immer wieder ganz gern. Im Sommer freue ich mich auf den Donaustrand. Am liebsten bin ich aber in meiner Wohnung, das muss ich echt sagen.

fci.de:
Wolltest du schon immer Profifußballer werden?

Multhaup: Ja, schon immer. Ich habe vergangenes Jahr Abitur gemacht. Natürlich habe ich die Schule immer ernst genommen und hätte im Fall der Fälle ein Sportmanagement-Studium begonnen. Jedoch war ich immer überzeugt davon, dass ich es schaffen kann, Profifußballer zu werden. Die Vorzeichen dafür waren gut. Deshalb habe ich vor allem die meiste Kraft und Zeit in mein Training investiert. Zum Glück hat es mit dem Abi geklappt, darüber habe ich mich sehr gefreut. Dazu gibt es auch eine kleine Anekdote: In meiner Schule haben alle Schüler und sogar die Lehrer einen Award bekommen. Vom „Clown-Award“ bis zum „faulsten Lehrer“ war alles dabei. Aber jeder wusste, dass das witzig gemeint war. Auf meinem Award stand „Mr. Arroganz“, weil ich durch Nationalmannschaftseinsätze und Trainingseinheiten viele Unterrichtsstunden verpasst habe, aber trotzdem mein Abitur geschafft habe. Natürlich haben meine Lehrer meine schulische Karriere mit Wohlwollen verfolgt. Sehr zum „Unmut“ meiner Mitschüler, die mich damit aufgezogen haben (lacht).

fci.de: Auf Schalke warst du schon nah dran an den Profis, warst sogar zwei Mal mit dem Team im Trainingslager. Dann kam die Verletzung. Was ging damals in dir vor?

Multhaup: Der ehemalige Schalker Trainer Roberto Di Matteo hatte damals ein 3-5-2-System spielen lassen. Im Winter-Trainingslager 2015 hatte sich der angestammte Rechtsverteidiger Atsuto Uchida verletzt. Zu der Zeit war ich auf der rechten Seite eingeplant. Natürlich habe ich mich damals schon total gefreut, weil wir im Training die ganze Woche über so trainiert haben, dass ich das System kennenlerne, um es dann in der Bundesligarückrunde zu spielen. Leider habe ich mir dann im ersten Testspiel nach 15 Minuten einen Muskelfaserriss  zugezogen. Dass war sehr ärgerlich für mich, weil ich mir schon große Hoffnungen gemacht habe. Da ich kurz zuvor schon einmal an dieser Stelle verletzt war, hab ich insgesamt zwei Monate gebraucht, um wieder fit zu werden. Das letzte halbe Jahr in der U 19 war somit echt schwer für mich, da auch noch Knieprobleme dazu gekommen sind. Zum Glück konnte ich mental gut damit umgehen – auch wenn meine Geduld schon arg strapaziert wurde. Wenn man denkt, es geht nur noch steil bergauf und man dann so eingebremst wird, ist das nicht einfach. Aber ich bin gestärkt daraus hervorgegangen.

fci.de: Beim FCI bist du dann wieder fit geworden. Wie hast du die Zeit der Reha hier erlebt?

Multhaup: Anfangs war es schon schwer. Ich hatte als neuer Spieler kaum Kontakt zu meinen Teamkollegen, da ich vor dem Training und während der Einheiten nicht dabei sein konnte und meine Reha absolviert habe. Ich muss aber sagen, dass die medizinische Abteilung hier überragend ist und mich großartig unterstützt haben. Wir haben so viele Stunden im Kraftraum und in Behandlungen zusammen verbracht. Im Endeffekt hat sich diese Zeit auch nicht lange gezogen – im Gegenteil. Ich bin viel schneller fit geworden, als alle gedacht haben. Ich konnte schon in der Hinrunde beim FC Bayern München mein Debüt für die Schanzer geben. Viele hatten das nicht für möglich gehalten und eher darauf gesetzt, dass ich in der Endphase der Saison zum Einsatz kommen kann. Besser hätte das nicht laufen können. Ich bin dafür wirklich dankbar.

fci.de: Du bist einer der schnellsten Spieler im Team. Hast du in der Vergangenheit speziell an deiner Sprintfähigkeit gearbeitet? Hast du dabei Tipps für unsere Fans, wie man schneller wird?

Multhaup: Das ist mir tatsächlich in die Wiege gelegt worden. Mein Vater war sogar noch schneller als ich. Das habe ich definitiv von ihm. Im Training wurde gerade bei mir darauf geachtet, dass ich die Übungen vernünftig ausführe. Vor allem auf die Bein- und Armarbeit wurde dabei besonders viel Wert gelegt. So konnte ich durch das Sprinttraining noch einen Tick schneller werden. Grundsätzlich hat man schlechte Karten, wenn man nicht über eine gewisse Grundschnelligkeit verfügt. Durch gezieltes Training kann man Nuancen verbessern – aber die Veranlagung dafür muss schon da sein. Sonst wird es sehr schwer.

fci.de: Wie würdest du dich als Fußballer beschreiben? Wo liegen deine Stärken? Wo willst du dich noch verbessern?

Multhaup: Die Schnelligkeit ist sicherlich eine meiner Stärken. Aber ich habe auch versucht mich hinsichtlich der Aggressivität und Zweikampfstärke zu verbessern. Gerade in der Jugend war das immer mein Defizit, mich gegen körperlich größere und kräftigere Spieler durchzusetzen. Ich spiele mittlerweile sehr gerne körperlich und versuche als kleiner, flinker Spieler den Gegner bei seiner Spielweise zu stören. Verbessern möchte ich meinen linken Fuß und definitiv den Torschabschluss.