Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 6 mit Stefan Lex
13. Juni, 2016 15.00 Uhr
Stefan Lex: Eitting ist mein Heimatverein und mein Heimatort, in dem ich immer noch wohne. Bis zur D-Jugend habe ich selbst dort gespielt und auch danach habe ich den FC verfolgt. Manchmal sogar die Trainingseinheiten, die ich mitunter mitgeleitet habe. In diesem Verein habe ich das Fußballspielen gelernt und das Rüstzeug für meinen weiteren Weg an die Hand bekommen. Es ist einfach Heimat für mich, mit vielen Freunden und Bekannten. Bei einem der Spieler werde ich beispielsweise Trauzeuge sein. Mit den beiden Spielertrainern habe ich selbst gemeinsam in Freising gekickt.
fci.de: Das heißt, wenn ich dich nach der Adresse und dem Spitznamen des Innenverteidigers frage, dann weißt du das?
Lex: Na klar, ich glaube er spielt sogar in Schuhen von mir (lacht).
fci.de: Es ist ein wunderschöner Sonntagnachmittag irgendwo auf dem Land auf einer liebevoll gepflegten Sportanlage. Wenn du dich hier so umschaust – was macht für dich den Fußball aus?
Lex: Das Wichtigste ist die Freude an der Sportart, egal ob man in der Kreisklasse oder in der Bundesliga spielt. Die Kameradschaft, die es in jedem noch so kleinen Verein gibt und natürlich, dass man seine Freizeit mit den Freunden teilt. Hier ist quasi die Keimzelle für alles andere und ich finde es toll, dass so viele Leute gekommen sind, um die Teams anzufeuern. Hier kann man auch richtig Qualität sehen, denn alleine im Landkreis Erding gibt es vier Vereine, die in der Bezirksliga spielen. Da ergibt sich immer schöne und gesunde Konkurrenz. Außerdem laufen die Teams fast ausschließlich mit einheimischen Spielern auf. Einfach elf Freunde, die am Sonntag gemeinsam auflaufen und Fußball genießen.
fci.de: Wie wichtig ist für dich, dass Fans auch zu Amateurspielen kommen und ihre Teams repräsentieren?
Lex: Das finde ich wunderbar. Gerade in Dorfgemeinschaften gibt das einen Identifikationspunkt und jeder kann stolz auf seinen Bruder/Freund/Papa sein, der da auf dem Platz steht und alles für seinen Verein gibt. Ich glaube, das kann ein sehr gesundes Gemeinschaftsgefühl sein, auch neben dem Platz. Bei uns ist es außerdem sehr ländlich und da ist das Spiel des FC Eitting am Wochenende ein fester Termin, zu dem man geht. Als ich heute losgefahren bin, konnte ich alleine schon anhand der Autos sehen, wer sich da alles auf den Weg macht und habe mich gefreut. Gerade wenn viele Einheimische mitspielen, identifiziert man sich doch ganz anders mit dem Team.
fci.de: Du bist mittlerweile Fußballprofi und was nicht selbstverständlich ist: Du hast einen Hochschulabschluss. Wie kam es dazu?
Lex: Ich bin verhältnismäßig spät zum Profifußball gekommen und deshalb war es mir immer sehr wichtig, ein zweites Standbein zu haben. Ich habe auch gar nicht mehr damit gerecht, deshalb freut es mich jetzt umso mehr. Mit ein bisschen Disziplin geht beides.
fci.de: Bleibt da viel Zeit, um andere Interessen zu verfolgen?
Lex: Durchaus, ich habe aber auch den Vorteil, dass meine Freundin sehr fußballbegeistert ist und selbst demnächst auch wieder auf dem Platz steht. Da ergänzt man sich immer ein bisschen und es kommt nicht der Streit auf, dass sich alles um diesen Sport dreht oder ich schon wieder beim FC Eitting bin.
fci.de: Habt ihr euch über den Fußball kennengelernt?
Lex: Nein, nicht wirklich. Wir haben uns in meiner Zeit in Fürth kennengelernt. Dass sie fußballbegeistert ist, war natürlich ein noch größerer Glückstreffer. Wenn sie gerade nicht auf Heimaturlaub wäre, hätte sie mich heute begleitet. Sie würde sich den FCI oder Eitting genauso anschauen, wie ich mir die Spiele ihrer Frauenmannschaft anschaue. Das gilt natürlich auch, wenn sie nicht spielt. Man sieht also, dass Fußball wirklich einen großen Teil unseres Lebens ausmacht.
fci.de: Natürlich ist sie auch dank dir Schanzerfan, aber sei ehrlich: Für welchen Verein schlägt ihr Herz?
Lex: Sie kommt aus Ansbach und im fränkischen ist logischerweise der 1. FC Nürnberg sehr beliebt, das hat sicher abgefärbt. Aber als Hardcore -Fan würde ich sie sicher nicht bezeichnen, dafür muss ich ihr zu oft sagen, wie der „Glubb“ gespielt hat (lacht).
fci.de: Also gab es auch keinen Konflikt, als wir letzte Saison gegen die Nürnberger ran mussten?
Lex: Nein, natürlich nicht. Da steht sie auf meiner Seite, das ist ja klar!
fci.de: Wir haben viel über die Dorf-/Stadtgemeinschaft gesprochen. Hand aufs Herz: Wie arrangiert man sich, wenn, z.B. wie hier in Kammerberg, gestern das alljährliche Weinfest war? Kann da ein Spieltag schon mal großzügig verschoben werden?
Lex: Naja, das kann schon mal vorkommen. Aber auch in dieser Spielklasse muss man eine gewisse Disziplin an den Tag legen, die in der Kreisklasse vielleicht nicht jeder haben muss. Es soll ja auch Spieler geben, die dann besser sind (lacht). Aber wenn Volksfest in Erding ist, dann ist es meistens so, dass am Sonntag gespielt wird und danach alle Mannschaften gemeinsam ins Bierzelt ziehen oder sich da treffen. Da ist es dann auch egal, wie das Spiel war, da gilt es, gemeinsam die Gemeinde zu begießen. Im Laufe des Nachmittags werden dann die Spielergebnisse aus den Profiklassen durchgegeben und dann jubeln die Jungs für das Team, für das ihr Herz außerhalb der eigenen Mannschaft schlägt. Im Falle von Erding sind das die Löwen oder natürlich der FC Bayern München. Vielleicht kommen bald ja auch ein paar Schanzer dazu.
fci.de: Also trifft man in diesen Spielklassen eher selten auf feierbedingte, spontane Ausfälle?
Lex: Nein, die Jungs kennen ja ihre Spielansetzungen und nehmen die Partien ernst. Schließlich vertritt man ja seinen Heimatort, da wollen sich die wenigsten eine Blöße geben. Vielleicht gehen sie dann eine Runde aufs Volksfest, aber dann bleibt es eben bei einem Bier und spätestens um zwölf ist dann Zapfenstreich.
fci.de: Oft hat man ja ein Bild vom Fußball in den niedrigeren Klassen im Kopf – von schiefen Plätzen bis zu kuriosen Schiedsrichterentscheidungen. Hast du schon mal etwas in diese Richtung erlebt?
Lex: Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Alle Beteiligten geben sich richtig Mühe, wie man ja auch hier sehen kann. Und ich wage zu behaupten, dass ich schon viel gesehen habe. Ich denke, das macht auch den Erfolg des Fußballs in Deutschland aus, dass wirklich sehr früh angefangen wird professionell zu arbeiten.
fci.de: Ist deine ganze Familie Fußballverrückt?
Lex: Das ist sie. Mein Vater beispielsweise schaut sich immer die Heimspiele von Eitting und natürlich der Schanzer an und wenn er es schafft, auch die Auswärtsspiele. Heute hat er aber gesagt, dass das Wetter so toll ist und genießt dieses beim Radfahren. Meine Eltern waren auch im Sonderzug auf Schalke mit dabei und es hat ihnen richtig gut gefallen. Außerdem wollten sie das einfach mal miterleben, auch wenn ich leider selbst wegen meiner Verletzung nicht spielen konnte. In unserem Familiengeschehen ist Fußball ein wichtiger Punkt.
fci.de: Also haben dich deine Eltern bei deiner Spielerkarriere immer unterstützt?
Lex: Ja und dafür bin ich sehr dankbar. Sie haben mich immer unterstützt und dabei nie Druck aufgebaut, weil vielleicht mal etwas nicht sofort vorangegangen ist. Mein Vater hat nie selbst Fußball im Verein gespielt, weshalb er auch nie die Ambition hatte, mich als Topspieler in den jeweiligen Ligen zu sehen. Die Hauptsache war, dass es mir Spaß macht, was ich tue. Manchmal gibt es das ja, dass ehemalige Profis ihre Kinder immer wieder vorwärts pushen. Aber ich denke, Spaß kommt vor dem Erfolg. Ich hatte von Seiten meiner Familie nie großen Druck, den habe ich mir wenn dann selbst gemacht. Meine Schwester ist übrigens auch ein großer Fan und immer bei den Heimspielen. Insgesamt kommen wir also auf einen richtigen kleinen Fanclub.
fci.de: Was hättest du gemacht, wenn du, aus welchen Gründen auch immer, in den letzten zwei Jahren nicht zum Fußballprofi geworden wärst, sondern hättest aufhören müssen?
Lex: Ich hätte auf jeden Fall versucht, im Sport Fuß zu fassen. Ich habe einen Bachelor in Sportmanagement und in diesem Bereich will ich auch bleiben, egal was passiert. Ich habe auch schon ein Praktikum beim Bayerischen Fußball-Verband in München gemacht und dort einiges gelernt und es hat mir viel Spaß gemacht. Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, irgendwann mal eine Tätigkeit beim FCI auszuüben, wenn ich nicht mehr selbst auf dem Platz stehen kann. Mir gefällt die Struktur und das Familiäre im Verein, das gibt es nicht überall. Aber wie ihr selbst wisst: es gehört auch ein bisschen Glück dazu, eine Anstellung zu finden, die einen ausfüllt und Spaß macht.
fci.de: Hast du schon praktische Erfahrungen oder wäre denn dann nicht ein Trainerposten beim FC Eitting genau das richtige für dich?
Lex: Das könnte ich mir natürlich auch irgendwann mal vorstellen (lacht)! Ich habe ja schon einen Trainerschein in meiner Schulzeit gemacht, die C-Lizenz, um genau zu sein. Aber solange ich noch aktiv eingreifen kann und das Geschehen auf dem Platz selbst mitgestalten kann, ist es mir lieber, wenn ich gecoacht werde und das noch möglichst lange so bleibt.
fci.de: Wir haben hier wirklich tolle Bedingungen – wir sitzen hier auf einer Holzbank, es ist warm, gemütlich idyllisch und Eitting führt mit 2:0. Schauen wir mal ein paar Wochen in die Zukunft: Da werdet ihr in der Allianz-Arena gegen den FC Bayern auflaufen. Hättest du das vor zwei Jahren gedacht, dass du mal vor über 70 000 Zuschauern in der Bundesliga gegen die Bayern aufläufst?
Lex: Absolut nicht. Bevor ich zu Fürth II gewechselt bin, war ich schon 23 und habe davor gerade mal ein halbes Jahr Regionalliga Bayern in Buchbach gespielt, davor in der fünften Liga. Damals hätte ich nie im Leben gedacht, dass ich jemals noch etwas mit Profifußball zu tun haben würde. Ich habe nicht mal zu träumen gewagt, dass ich mal in der Allianz-Arena oder vor der „Gelben Wand“ in Dortmund auflaufe und das auch noch mit einem bayerischen Verein – alleine unser Aufstieg war ja schon eine kleine Sensation. Mein Weg beim FCI war ein absoluter Glücksfall.
fci.de: Bist du auch deshalb noch so verbunden mit dem Amateurfußball?
Lex: Ja, es bedeutet mir sehr viel und ich hoffe auch, dass ich immer der Stefan Lex bleibe, der sich mit seinen „Spezln“ über ein Tor vom FC Eitting freut. Ich weiß, wo ich herkomme und bin sehr dankbar dafür, wie mein Weg verlaufen ist. Die Verbindung zu meiner Heimat ist immer da und wenn es vor fünf Jahren etwas anders gelaufen wäre, also nicht immer nur nach oben, dann würden wir hier nicht zusammen sitzen, sondern dann hätte ich vielleicht gerade eben fast das 3:0 geschossen.
fci.de: Vielen Dank für das klasse Gespräch!